Rehe – kleine Hirsche
Rehe (Capreolus capreolus) gehören zur Familie der Hirsche, sind aber deutlich kleiner als etwa Rothirsche. Sie entstanden vor etwa 7 bis 9 Millionen Jahren im späten Miozän in Eurasien und besiedelten ursprünglich vor allem Wälder.
Heute leben sie auf Friedhöfen, in Parklandschaften, an Waldrändern und zwischen Gartenzäunen – Rehe sind Kulturfolger geworden. Die Verdrängung großer Raubtiere und der Wandel unserer Landschaft haben sie in menschennähere Räume geführt. Scheu und anpassungsfähig bewegen sie sich fast unbemerkt durch unsere Welt – und sind doch stets da.
Mein erster Rehbock

Ich werde diese Begegnung nie vergessen!
Es war während der Blattzeit, als ich zum ersten Mal einem Rehbock begegnete. Früh am Morgen, noch in der Dämmerung, saß ich getarnt am Rand eines Gebüschs. Plötzlich hörte ich ein Bellen hinter mir – kein Hund, sondern der Bock. Er erschien rechts von mir, schaute in meine Richtung, und ich wagte kaum, mich zu bewegen. Als er sich abwandte, versuchte ich, Fotos zu machen, doch später stellte ich fest, dass ich vergessen hatte zu zoomen – ich hatte es „verbockt“.
Doch die Natur schenkte mir eine zweite Chance. Als ich später das Gebüsch umrundete, entdeckte ich den Bock erneut, wie er im Gras lag. Ich blieb ruhig im Schutz der Bäume. Schließlich stand er auf und kam direkt auf mich zu. Mein Herz klopfte bis zum Hals, aber ich blieb still. Er bemerkte mich, sprang kurz zur Seite, beobachtete mich und näherte sich dann wieder. So nah war mir noch kein Wildtier gekommen. Trotz der Aufregung gelangen mir Aufnahmen, die mich staunen lassen, ich liebe es! zum Beitrag…
Rehe haben es nicht einfach…
Auch wenn Rehe sich an die vom Menschen geprägten Landschaften angepasst haben – leicht haben sie es nicht. In der modernen Agrarlandschaft gelten sie vielerorts als „Schädlinge“. Sie fressen an jungen Trieben, durchqueren Felder und hinterlassen Spuren, die ökonomisch nicht ins Bild passen. Ihre bloße Anwesenheit ist für viele Landwirte ein Ärgernis.
Besonders tragisch wird es im Frühjahr, wenn die Wiesenmahd beginnt – oft viel zu früh. In dieser Zeit liegen die neugeborenen Rehkitze reglos im hohen Gras, fest gedrückt auf den Boden, instinktiv in der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden. Doch die Mähmaschinen kommen unerbittlich – schnell, effizient, flächendeckend. Und so werden jedes Jahr tausende Kitze regelrecht gehäckselt, weil es an Rücksicht, Zeit oder Willen fehlt, vorher nach ihnen zu suchen.
Technische Hilfsmittel wie Drohnen mit Wärmebildkameras oder das Absuchen durch Helfer könnten helfen – doch sie werden längst nicht überall eingesetzt. Das stille Sterben im Gras bleibt für viele unsichtbar.
Was ebenfalls kaum jemand sieht: In dieser Zeit präsentiert sich die Jägerschaft gern als Retter, unterstützt bei der Kitzsuche, poliert ihr Image. Doch am Jahresende, wenn die jungen Rehe Teil funktionierender Familienverbände geworden sind, zerschießt man genau diese Strukturen – im Namen der sogenannten Bestandsregulierung. Dann heißt es wieder: Wildmanagement. Und die „Schädlinge“ müssen weichen – für den Wald, für die Forstwirtschaft, für den Menschen.
Wiese vor dem Mähen nicht abgesucht – zwei Rehe verendet – BR24
Die Wiesenmahd als Todesfalle – inFranken.de
Mein erstes Rehkitz
Ich war auf einer kleinen Parallelstraße unterwegs, die in eine Sackgasse führte, und suchte nach einem geeigneten Platz zum Parken. Am Feldrand fiel mir ein brauner Fleck ins Auge. Ich hielt an, stellte das Auto ab, schloss fast alle Fenster – nur zwei blieben geöffnet, die zur Wiese hin zeigten. Was hatte ich da gesehen?
Ein Hase, dachte ich im ersten Moment. Aber nein – das war es nicht. Ich wartete. Und tatsächlich: Meine Augen hatten mich nicht getäuscht. Kurz darauf erschien die Ricke auf der Wiese und rief nach ihrem Kitz ein unwirklicher Moment. Sie säugte es direkt vor meinen Augen. Ein Anblick, der mich atemlos machte.
Nachdem sie ihr Kitz wieder im Weizenfeld in Sicherheit gebracht hatte, kehrte sie zurück auf die Wiese und äste. Am nächsten Morgen sah ich sie erneut. Sie sprang plötzlich auf – vermutlich hatte sie am Rand des Feldes gelegen. Im nächsten Moment huschte eine Silhouette aus dem Feld – vermutlich ein Wildschwein. Die Ricke blieb regungslos stehen, wie eingefroren. Minutenlang. Dann legte sie sich langsam wieder hin.
Das Kitz habe ich nicht wieder gesehen.

Je mehr Zeit ich mit Rehen verbringe, desto stärker spüre ich diese stille Verbindung. Sie leben zurückgezogen, angepasst – und doch mitten unter uns. Zwischen Feldern, Straßen, Friedhöfen. Oft übersehen, manchmal unerwünscht. Und doch voller Würde.
Es sind Momente wie diese, die mich innehalten lassen. Wenn ich ihnen begegne, mit der Kamera oder nur mit Blick und Herz, dann ist das kein Jagdinstinkt – sondern ein stilles Staunen. Und der Wunsch, dass wir lernen, wieder mehr Raum zu lassen. Nicht nur für sie. Auch für uns selbst.
„Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt.“
– Mahatma Gandh